Typ-2-Diabetes: Behandlung mit neuen Effekten

Medizin

Mit Prim. Univ.-Prof. Dr. Raimund Weitgasser hat unsere Klinik einen inter­natio­nal aner­kannten Diabetes-Experten im Haus. Im Artikel be­richtet er über neueste Behand­lungs­methoden und erfreu­liche Effekte.

Prim. Univ.-Prof. Dr. Raimund Weitgasser

Ein Artikel für unsere Blog-Leser*innen verfasst von Prim. Univ.-Prof. Dr. Raimund Weitgasser

Mit knapp 10 Prozent der Bevölkerung Österreichs stellen Betrof­fene mit der Diagnose Diabetes mellitus einen großen Anteil chronisch erkrankter Personen dar. Davon sind ca. 90 Prozent dem Typ 2 zuzu­ordnen, einer Stoff­wechsel­störung, bei welcher das Hormon Insulin, welches in der Bauch­speichel­drüse produ­ziert wird, nicht aus­reichend wirkt und im Verlauf der Erkran­kung auch nicht in adäquater Menge produ­ziert wird.

Die Diagnose eines Typ 2 Diabetes ist einfach gestellt: zumindest zwei­mal Messung des Blut­zuckers mittels Finger­stich und ergän­zend die Bestim­mung des „Zucker­lang­zeit­werts“ HbA1c, welcher mit der Höhe des mittleren Blut­zuckers über die letzten zwei bis drei Monate korreliert.

Behandlung des Typ 2 Diabetes
Die Grundlage für die Diabetes-­Behandlung stellen Lebens­stil­maß­nahmen dar. Eine ausge­wogene Misch­kost, welche sich an der „Mediterranen Ernährung“ mit viel Gemüse, Vollkorn­pro­dukten, Hülsen­früchten und Milch­produkten, Käse, Oliven­öl, Obst, Fisch, weißem Fleisch, Nüssen und Gewürzen orientiert, wird dazu emp­fohlen. Kombiniert mit gesunder Ernährung ist ver­stärkte körper­liche Bewegung im Alltag bzw. je nach Möglich­keit regel­mäßiges Training oder Sport wichtig. Dies senkt den Blut­zucker und hilft häufig, die Erkrankung ohne medika­men­töse Be­hand­lung in den Griff zu bekommen.
Im Weiteren ist die Ver­meidung psychischer Belastung hilfreich, um die Aus­schüttung gegen­regulatorischer Hormone zum Insulin hint­anzu­halten. Die Information dazu steht durch Diabetes­schulung in Kurs­form jeder Person mit Diabetes zu und sollte erstmals möglichst rasch nach der Diagnose der Erkrankung als wich­tiger Bestandteil der Therapie erfolgen. Erreicht man durch Lebens­stil­modi­fikation das individu­elle Ziel der Blut­zucker- bzw. HbA1c-­Senkung nicht, wird eine medika­mentöse Behandlung nötig. Diese war über Jahr­zehnte vor­wiegend auf diese Ziele fokussiert, um Folge­schäden durch hohe Blut­zucker­werte zu verhindern oder zumindest zu redu­zieren.

Neue medikamentöse Effekte
Bis vor wenigen Jahren gab es keine blut­zucker­senkenden Medika­mente mit direkter Wirkung in den vom Diabetes betroffenen Ziel­organen. Neue Medikamente der Klassen SGLT-2-Hemmer und GLP-1-Rezept­oragonisten konnten dies ändern.

SGLT-2-Hemmer
SGLT-2-­Hemmer reduzieren die Rück­aufnahme des über den Harn ausge­schiedenen Zuckers in der Niere und führen damit zu einer deutlichen Blut­zuckers­enkung. Weiters haben diese Medika­mente aber auch eine direkte schützende Wirkung auf die Nieren­funktion, welche sich ja im Laufe der Diabetes­dauer und insbe­sondere ungenü­genden Diabetes­einstellung (mit hohen bzw. stark schwan­kenden Blut­zucker­werten) ver­schlechtert. Außerdem wurde für diese Medika­mente eine positive Beein­flussung der Herz­funktion fest­gestellt. Die bei Diabetes mellitus häufig festzu­stellende Herz­schwäche mit Flüssigkeits­retention (Atemnot, Beinödeme) lässt sich damit deutlich bessern bzw. verhindern. Die Effekte an diesen beiden Organ­systemen Niere und Herz sind mittler­weile auch an Personen mit Nieren-­ oder Herz­er­krankung ohne Diabetes mellitus nachgewiesen worden. Damit profitieren viele Patient*innen mit chronischen, so genannten kardio­vaskulären Erkran­kungen von diesen auch als "Gliflozinen" bezeich­neten Medika­menten. Zudem senken diese Medika­mente den Blut­zucker nicht in den hypo­glykämischen Bereich, das heißt Unterzucker-­Symptome oder damit verur­sachte Schäden treten nicht auf. Neben­effekte beschränken sich im klinischen Alltag auf genitale Pilzinfekte, diese sind allerdings manchmal einschränkend für den weiteren regel­mäßigen Einsatz.

GLP-1-Rezeptoragonisten
Die zweite Medika­menten­klasse mit positiven Effekten auf Organ­ebene, die der GLP-1-Rezeptor­agonisten, redu­zieren das Risiko für Herz­infarkte und Schlag­anfälle deutlich, denn der Blut­druck wird neben Blut­zucker und Körper­gewicht ge­senkt. Die Gewichts­abnahme kann durchaus fünf bis zehn Prozent des aktuellen Körper­gewichts betragen. Zusätzlich können GLP-1-Rezeptor­agonisten die Eiweiß­ausschei­dung über die Niere, welche ein Zeichen einer bereits bestehen­den Nieren­funktions­störung ist, reduzieren und damit protektiv, d.h. schützend, am Organ wirken. Einziger Nach­teil der Anwendung dieser Medika­mente ist derzeit die Notwendig­keit sie mit einer Spritze zu verabreichen. Die sehr einfache Appli­kation mittels eines Pens mit dünner Spritzen­nadel erfolgt durch Injektion in das Subkutan­gewebe (Bauch, Oberarm, Ober­schenkel) einmal täglich oder einmal wöchent­lich durch den*die Patient*in selbst.
Als Neben­effekte werden Verdauungs­störungen und zumin­dest in den ersten zwei bis drei Wochen der Behand­lung auf­tretende Übel­keit beschrieben. GLP-1-Rezeptor­agonisten wirken an mehreren Stellen im Körper. Sie steigern die Insulin­ausschüt­tung und reduzieren die Wirkung des Glukagons, womit ein geringerer Anstieg des Blut­zuckers nach einer Mahl­zeit erfolgt. Weiters ergibt sich eine gleich­mäßigere Nahrungs­aufnahme über Magen und Darm. Zusätzlich kommt es zu einer Rück­koppelung zum Appetit­zentrum, welches frühere Sättigung anzeigt und den Effekt der oft ausgeprägten Gewichts­abnahme verstärkt.

Weitere als Inkretine bezeichnete Medikamente (Kombinationen zweier oder mehrerer „Darm­hormone“) mit noch stärkerer Wirkung auf die Normali­sierung des Blut­zuckers und des Körper­gewichts sind in Erprobung. Ersten Studien­ergebnis­sen zufolge werden viele Patient*­innen davon profitieren, bei welchen das Behandlungs­ziel mit den derzeit verfügbaren Medika­menten nicht erreicht werden kann.

Einsatz in der Primärprävention
Durch große inter­nationale Multi­center-­Studien und Beob­achtungen im Praxis­alltag sind beide neueren Medikamenten­klassen für Diabetes-­Patient*innen mit kardio­vaskulären Risiko­faktoren auch ohne bereits statt­gehabten Herz­infarkt oder Schlag­anfall mit protektiven Effekten einsetzbar. Allerdings unterliegen die genannten Medikamente unter­schied­lichen Erstattungs­kriterien über die Gesund­heits­kasse bzw. Kranken­versicherungen.
Wichtig ist aber fest­zuhalten, dass diese Medikamente auch in Kombi­nation eingesetzt nicht immer ausreichen, um eine optimale Blutzucker-­ und HbA1c-­Senkung zu erreichen. Dies ist nötig, um diabetes-­spezifische Folgen z.B. an den Augen zu verhindern. „Ältere“ zucker­senkende Medika­mente sind damit natürlich weiter in Verwendung, ins­besondere das schon lange verwendete Metformin zählt dazu.

Diabetestherapie heißt immer Behandlung aller Risikofaktoren
Neben der Blutzuckerein­stellung ist die Kontrolle weiterer Risiko­faktoren für kardio­vaskuläre Erkrank­ungen und diabetische Folge­erkrankungen wichtig. Blutdruck, Blutfette und Körper­gewicht sollten in den individuellen Ziel­bereich gebracht werden, ein Rauch­stopp sollte erreicht werden. Bereits bestehende Begleit­erkrankungen bedürfen zudem einer optimalen medika­mentösen Behand­lung entsprechend den inter­nationalen und nationalen Behandlungs­leit­linien.
Die Indikation für eine Behandlung eines Typ 2 Diabetes mit den beschriebenen neuen Medika­menten (SGLT-2 Hemmer und GLP-1-Rezeptoragonisten) muss entsprechend den individuell vorhanden­en Vor­erkrankungen und Risiko­faktoren im Sinne einer perso­nalisierten Medizin erfolgen. Eine genaue Krankheits-­ und Medikations-­Anam­nese ist dazu nötig. Ergän­zende körper­liche Unter­suchungen, Labor­bestimmungen und apparativ erhobene Zusatz­befunde unterstützen dies, um einen sicheren und wirksamen Einsatz dieser Medika­mente zu gewährleisten.

Wir danken für den spannenden Artikel!

Mehr Informationen zum Leistungsspektrum auf dem Gebiet des Diabetes finden Sie auf der Unterseite des Kompetenz-Zentrums Diabetes.

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